PH-Projekt: „Sport mit Knackis“
Ravensburg – Seit sieben Monaten treiben jeden Dienstag Studenten der PH Weingarten mit jungen Gefangenen Sport in der JVA Ravensburg. „Sport mit Knackis“ heißt das Projekt, von dem beide Seiten – Studierende und Strafgefangene - profitieren sollen. Letzten Samstag verbrachten die angehenden Lehrer und Sozialpädagogen einen ganzen Tag mit den gleichaltrigen Insassen.
„So ein Tag tut mir gut, ich habe mich richtig darauf gefreut“, erzählt Carsten. Der junge Mann ist einer von zehn Gefangenen, die an dem Sportprojekt teilnehmen. Sie sind alle auf dem „3. Süd“ unterbracht, einer streng von der übrigen Haftanstalt getrennten Abteilung. Die Bewohner dieses Stockwerkes sind mal besonders jung oder mal besonders gefährdet: „Es ist ein bisschen eine Ablenkung vom Alltag. Die Leute von draußen sind ok. Es ist hier alles etwas lockerer zu als sonst“, erzählt der 25jährige Valery, der es noch besser fände, wenn auch junge Frauen mit zum Sport kämen.
Betreut wird das Projekt seitens der PH von Michael Hermann, seitens der JVA von Werner Trautmann. Als Sportlehrer ist Uwe Haspel mit dabei, der auf langjährige Erfahrungen im Vollzug zurück blicken kann. Er arbeitet mit einer besonderen Methodik: Beim Sport dienstagabends wird nicht nur Fußball gespielt. „Mir sind Vertrauen und Kooperation fördernde Sportspiele sehr wichtig, die die Leute von draußen und die von drinnen ins Gespräch bringen“. Anschließend sitzen die Projektteilnehmer noch bei einem gemeinsamen Vesper zusammen. „Gerade durchs Essen kommt man gut miteinander ins Gespräch“, meint Benjamin, der an der Hochschule Ravensburg-Weingarten „Soziale Arbeit“ studiert und im Rahmen einer Kooperation der beiden Weingartener Hochschulen mit dabei ist.
Erstmals kamen letzten Samstag die zehn jungen Männer von draußen einen ganzen Tag ins Gefängnis. Nach gemeinsamem Frühstück wurde viel Sport getrieben, mittags gegrillt und viel geredet. Er sei von den Gefangenen insgesamt positiv überrascht, sagt PH-Student Menzel: „Sie sind auch bereit, über die Gründe zu sprechen, die sie ins Gefängnis gebracht haben.“ Einer der Gefangenen ergänzt hier spontan: „Wir können untereinander fast nie über unsere Gefühle sprechen.“ Angst haben müsse man als Besucher von draußen überhaupt nicht, stellt Florian fest, der Technik, Deutsch und Englisch studiert. „Ich fühle mich recht wohl hier. Meine Eltern finden das Projekt klasse und viele meiner Freunde sind überrascht, dass es so etwas überhaupt gibt.“ Matthias (20) war verwundert, dass viele junge Aussiedler aus Russland in der Sportgruppe sind, an manchen Abenden jeder zweite. PH-Student Schenja ist ebenfalls russischer Aussiedler. „Als gebürtiger Russe komme ich mit diesen Gefangenen natürlich besser ins Gespräch. Manchmal frage ich mich, woran es liegt, dass ich diese Karriere nicht gemacht habe und heute angehender Lehrer bin.“ Sich zu integrieren in die deutsche Kultur, sei für junge Aussiedler aus Russland recht schwierig. „Da gibt es viele Konflikte.“
Zufrieden mit dem Projekt von PH und JVA ist auch Alexander Boger, der Direktor der Haftanstalt in Hinzistobel. „Sport spielt in unserer Konzeption eines modernen Behandlungsvollzugs eine große Rolle. Wir sind froh, wenn sich hier Institutionen, Vereine und Menschen von draußen engagieren.“ Welches Interesse hat die PH an „Sport mit Knackis“? „Schule ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Realität. Uns ist es ein Anliegen, das sich Lehramtsstudierende auch mit den problematischen Bereichen moderner Gesellschaft beschäftigten“, sagt Soziologie-Dozent Michael Hermann. Die Pädagogische Hochschule engagiert sich seit vielen Jahren in der anstaltseigenen Schule, in der angehende Lehrer Praktika absolvieren können. Interesse an dem Sportprojekt hat auch die Polizei signalisiert, die es für eine gelungene Maßnahme der kommunalen Kriminalprävention hält. „Unser Wunsch wäre es, dass auch junge Polizisten mitmachen“, sagt Hermann.